„Tigerhandpuppe wird von Kindern hervorragend angenommen“
Professor Berthold Koletzko im Interview

(13.02.08) Professor Berthold Koletzko ist der „Vater“ des AOK-Präventionsprojekts »TigerKids«. Der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit hat das Programm mit weiteren Experten entwickelt. Als Leiter der Abteilung für Stoffwechsel und Ernährung am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München hat er vor allem ein Thema: Vorbeugung von Übergewicht. Was »TigerKids« von anderen Projekten unterscheidet und warum es bei Kindern so gut ankommt, wollte der AOK-Mediendienst von Professor Koletzko wissen.

Was ist das Besondere am Präventionsprojekt »TigerKids«?

Koletzko: »TigerKids« will schon Drei- bis Sechsjährigen Freude an regelmäßiger Bewegung vermitteln und ihnen die Grundzüge einer ausgewogenen und bedarfsgerechten Ernährung spielerisch und praktisch nahe bringen. Ziel ist es, so der Entstehung von Übergewicht vorzubeugen. Wir wenden uns bewusst an Kindergartenkinder und verfolgen damit auch den Setting-Ansatz, da insbesondere das Vorschulalter eine Lebensphase intensiven Entdeckens und Lernens ist, während der das Bewegungs- und Ernährungsverhalten nachhaltig geprägt wird. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Initiativen und Programmen zur Adipositasprävention im Vorschulalter wurde die Effektivität und Wirksamkeit von »TigerKids« in einer wissenschaftlichen Untersuchung überpüft und bestätigt. Das am 30. Mai 2007 erschienene Weißbuch der Europäischen Kommission stellt daher unser »TigerKids«-Projekt als eines von zwei europäischen Modellprojekten für eine erfolgreiche Übergewichtsprävention heraus.

Warum haben Sie sich ausgerechnet die AOK als Partner ausgesucht?

Koletzko: Die AOK ist die mitgliederstärkste gesetzliche Krankenkasse in Deutschland, die sich seit langem für die Gesundheitsprävention einsetzt. Mit dem Kindergartenjahr 2007/2008 dehnen wir »TigerKids« auf alle 16 Bundesländer aus, mit dem Ziel, bis 2009 in 3.000 bis 5.000 Kindertagesstätten (KiTas) eine effektive Prävention durchführen zu können. Hierfür benötigen wir einen starken und logistisch hervorragend aufgestellten Partner, den wir mit der AOK gefunden haben. Wir begrüßen die AOK-Initiative »Gesunde Kinder – gesunde Zukunft« sehr, denn Präventionsstrategien sind besonders viel versprechend, wenn sie wie »TigerKids« bereits in Kindergärten und Schulen einsetzen. Nur durch eine gemeinsame Bündelung aller Kräfte einschließlich Eltern und Pädagogen wird Übergewicht effektiv und langfristig vorgebeugt.

Wie viele Kinder haben bis jetzt »TigerKids« kennengelernt?

Koletzko: Bis zum Kindergartenjahr 2006/2007 wurde »TigerKids« in einer Pilotphase in vier Regionen Bayerns in 75 Kindertageseinrichtungen mit etwa 3.000 Kindern erprobt und hinsichtlich der Wirkungen geprüft. Dabei zeigten sich eine sehr gute Akzeptanz und Wirksamkeit. Seit vergangenem Herbst erreichen wir mit »TigerKids« nun bundesweit rund 60.000 Kinder in etwa 1.000 Kindergärten. Das Projekt kommt dort bei den Kleinen, den Erzieherinnen und den Eltern sehr gut an. Schon jetzt haben viele weitere Einrichtungen ihr Interesse gezeigt, an »TigerKids« teilzunehmen.

Haben Sie schon konkrete Verhaltensänderungen festgestellt? Wenn ja – welche?

Koletzko: In der Pilotphase von »TigerKids« zeigte der Einsatz über ein Jahr, dass die Bewegung und das Ernährungsverhalten erfolgreich verbessert werden konnten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe aßen die »TigerKids«-Kinder mehr Obst und Gemüse und tranken weniger Softdrinks. Das bundesweite Projekt, das im Herbst 2007 gestartet ist, wird mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bis Ende 2009 ebenfalls wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Warum ist ausgerechnet ein Stofftiger gut geeignet, um Kindern gesunde Ernährung und mehr Bewegung nahe zu bringen?

Koletzko: Die Tigerhandpuppe stellt für die Kindergartenkinder eine Identifikationsfigur dar, die sie durch das Programm begleitet und ihnen gezielt auf spielerische Weise die Lerninhalte vermittelt. Die Handpuppe wird hervorragend von den Kindern angenommen und trägt durch ihre Mimik, Gestik und gesprochenen Worte wesentlich zum Erlernen vor allem der Ernährungsinhalte bei.

Wie motivieren Sie die Eltern, am Projekt teilzunehmen – besonders solche mit Migrationshintergrund oder aus schwächeren sozialen Schichten?

Koletzko: Wir setzen mit unserer Präventionsstrategie bewusst in den Kindertageseinrichtungen ein, die in Deutschland von etwa 97 Prozent aller Kinder aus allen Gruppen der Bevölkerung besucht werden, so dass wir auch Jungen und Mädchen aus bildungsferneren Schichten beziehungsweise Familien mit Migrationshintergrund erreichen können. Ein wichtiges Element unserer Elternarbeit sind unsere sogenannten Tipp-Cards, die in regelmäßigen Abständen an die Eltern ausgeteilt werden. Sie enthalten bewusst knapp und einfach formulierte und somit für alle Familien verständliche Hinweise und Tipps zu gesunder Ernährung und Bewegung. Die Eltern sollen dadurch stets neu für diese Themen sensibilisiert und motiviert werden. Tatsächlich zeigen die Evaluationsergebnisse, dass wünschenswerte Verhaltensänderungen auch in weniger priviligierten Gruppen erreicht werden.

Kann »TigerKids« tatsächlich erreichen, dass Kinder langfristig gesundheitsbewusster werden?

Koletzko: Die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse sind sehr ermutigend. Unsere Ziele, den Obst- und Gemüseverzehr zu erhöhen sowie die Aufnahme energiereicher Getränke wie beispielsweise Eistee und Limonaden zu senken, konnten über zwei Kindergartenjahre erreicht werden. Ein nachhaltiger Einsatz mit engagierter Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher und der Eltern kann zu einer langfristig wirksamen Verbesserung der Kindergesundheit beitragen.

Quelle: AOK-Mediendienst