Sag’ mir, wo die Ziegel sind, …

Spanischer Turm Upcycling – vielleicht das Beste, was ein alter Blumentopf werden kann

Das Dach des Spanischen Turms im Maßstab 1:87, mit unzähligen Miniaturziegeln aus einem alten Blumentopf.

Darmstadt , 14.06.2022. Der Darmstädter Bildhauer Klaus Schultheis hört gern zu und lässt sich auf Vorschläge ein, die das Leben immer wieder für uns bereithält. So auch im Frühling dieses Jahres, als ein örtlicher Gartenmarkt mit dem Hinweis für seine ausgedienten Blumenschalen warb: man möge die Kunststoffteile bitte mitnehmen und ihnen ein „zweites Leben“ gewähren. Die Frage, was denn ein alter Blumentopf in seinem zweiten Lebensabschnitt einmal werden möchte, ist schnell geklärt: ein Dach für die Skulptur des Spanischen Turms auf der Damstädter Rosenhöhe. Zuhause angekommen, zerlegt Schultheis den Topf in unzählige 2 × 4 Millimeter große Kunststoffschnipsel, feilt eine Vorderkante rund, und freut sich über diesen ersten Biberschwanz-Dachziegel im Miniaturformat! Dreißig Ziegel sind schnell gefeilt, das Verfahren funktioniert; für eine tatsächliche Dachdeckung werden aber wohl Hunderte dieser Biberschwänze benötigt.

Den Spanischen Turm von „Meine kleine Stadt“ gibt es originalgetreu bemalt, als kompletten Turm oder als Tafelmagnet, reduziert auf seine faszinierende Fassade, sowie als Bausatz für Freunde der Modellbahn im Maßstab 1:87.

Schultheis feilt weiter, verzweifelt manchmal an der Monotonie der Aufgabe, gibt sich dann aber ohne weiteres Murren seinem inneren Jakobsweg hin, selbst wenn die Finger wund werden und viele Dachziegel trotz größter Sorgfalt misslingen. Stunden später, das Wochenende neigt sich schon dem Ende zu, ist eine erkleckliche Anzahl klitzekleiner Ziegel zusammengekommen; das Ziel scheint greifbar nahe, das Dachdecken kann beginnen. Der Künstler nimmt Ziegel für Ziegel mit der Skalpellspitze auf, platziert sie in ordentlichen Reihen auf der Dachkonstruktion, jede Reihe exakt um einen halben Ziegel versetzt, damit es später nicht hereinregnet. Gemessen an der mühevollen Ziegelproduktion, geht das Dachdecken flott von der Hand. Schultheis genießt den Flow, doch zwei Reihen unterm First gehen dem Baumeister plötzlich die Dachziegel aus. Die Vorstellung, noch einmal mindestens die selbe Menge Dachziegel feilen zu müssen, ist ernüchternd. Aufgeben wäre schön! Das halbe Dach einfach weglegen und nie mehr darüber nachdenken?!

Schultheis feilt weiter. Kaum zu glauben, aber das fertige Dach der Skulptur wird am Ende rund 600 klitzekleine Bieberschwanzziegel verschlingen. Verschlungen deshalb, weil man sie nicht sieht! Der Künstler, der dieses Dach Ziegel für Ziegel selbst konstruiert, durchlebt, ja durchlitten hat, muss beim Betrachten verblüfft feststellen, dass das menschliche Vorstellungsvermögen anscheinend bei 50 Ziegeln endet. Es ist vollbracht, die Skulptur des Spanischen Turms steht zum Verkauf, und der Künstler feilt schon an der nächsten Dachkonstruktion.

Quelle: www.meine-kleine-stadt.com

Bildhauer, Maler, und Künstler von „Meine kleine Stadt“ produzieren handgefertigte Skulpturen von kulturgeschichtlich interessanten, historischen Gebäuden. Das Portfolio richtet sich an Liebhaber und Sammler, die Burgen, Museen, Stadttore, Türme, und andere Wahrzeichen wertschätzen, besuchen, sehen und mit nach Hause nehmen möchten. Es ist schon ein besonderes haptisches Erlebnis, die liebevoll detaillierten und werthaltigen Miniaturen immer wieder einmal zur Hand zu nehmen. Als Beitrag zum Denkmalschutz, spendet „Meine kleine Stadt“ drei Prozent vom Erlös einer Skulptur für den Erhalt des Originals.